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Anicolor-Technologie: Offsetdruck f�r kleinste Auflagen

 

MARTIN SPAAR Der Trend zu mehr Farbe und kleineren Auflagen bringt den Offsetdruck gegenüber dem Digitaldruck immer mehr in Bedrängnis. Die Kosten für Rüstzeiten und Anlaufmakulatur führen dazu, dass sich die meisten Aufträge bei Auflagen unter 500 bis 1000 Exemplaren im Digitaldruck kostengünstiger produzieren lassen. Immer leistungsfähigere Digitaldrucksysteme verschieben diese K.o.-Grenze ständig weiter nach oben. Mit einer technischen Revolution im Offsetdruck will Heidelberg dieser Entwicklung jetzt entgegenwirken: Unter der Bezeichnung Anicolor haben die Heidelberg-Ingenieure in sechs Jahren ein zonenloses Kurzfarbwerk mit Rasterwalze und Feuchtwerk zur Se­rien­reife gebracht, das eine markante Kostenreduktion bei der Produktion von Kleinauflagen verspricht: Gegen­über einer konventionellen Speedmaster soll die neue Variante mit Anicolor-Farbwerk die Zahl der Einrichtbögen von 200 auf 20 bis 30 senken und die Einrichtzeit von 13 auf 7 Minuten verkürzen.

Rasterwalze als Herzstück

Das namensgebende Herzstück dieser neuen Farbwerke ist die Anilox-Walze. Diese Rasterwalze nimmt eine genau definierte Menge an Farbe auf und überträgt diese über die Farbauftragwalze auf die Druckplatte. Damit erübrigen sich die Farbzoneneinstellungen und es werden absolut ruhige Flächen ohne Schablonierung auf den Bedruckstoff übertragen. Die Anilox-Technologie ist an und für sich nicht neu. Die Anfänge gehen in die Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts zurück und Heidelberg nutzt diese Technologie schon seit längerer Zeit in Lackwerken. Doch erst heute sind die Voraussetzungen gegeben, diese Technologie in einem Farbwerk zu nutzen. Erstens setzt das Wegfallen der Zonensteuerung ein konsequentes und präzises Farbmanagement über den ganzen Prozess voraus und zweitens ist die Fertigung der Rasterwalzen mit der benötigten Präzision erst dank der Möglichkeit von Lasergravur in Keramik machbar.

Kurzfarbwerk ohne Farbzonen

Anicolor ist ein in der Bauweise «kurzes», also aus weniger Walzen bestehendes, farbzonenloses Farbwerk. Der gleichmässige Übertrag eines exakt definierten Farbvolumens wird durch die formatgrosse Rasterwalze erreicht, die sich zwischen Farbkammer und Farbauftragwalze befindet. Die ebenfalls formatgrosse Farbauftragwalze stellt jedem druckenden Element der Platte zu jeder Zeit exakt die gleiche benötigte Farbmenge zur Verfügung. Nicht benötigte Farbe wird über ein Kammerrakel wieder in die Farbkammer zurückbefördert – ein Mechanismus, der auch bei komplizierten Formen mit extrem niedriger oder unterschiedlicher Flächendeckung keine Farbe im Farbwerk aufbaut. Bei der Anilox-Walze handelt es sich um eine keramikbeschichtete, lasergravierte Walze, die in der Lage ist, hohe Farbmengen in ihre raue Oberfläche aufzunehmen und wieder abzugeben.

Temperaturgesteuerte Volltondichte

Da keine Farbzonen zu regeln sind, ist der Einrichtungsaufwand minimal. Zusammen mit dem bereits bei konventionellen Offsetmaschinen eingesetzten Feuchtwerk Alcolor bietet Anicolor eine konstante Farbe-Wasser-Balance – was sich in einer insgesamt hohen Prozesssicherheit und gleichmässig guter Einfärbequalität bei standardisierten Aufträgen niederschlägt. Die Farbdosierung erfolgt über die Regelung der Temperatur der Rasterwalze: Durch Erwärmen bzw. Abkühlen wird mehr bzw. weniger Farbe übertragen. Selbst bei geringer Farbabnahme werden mit diesem Prinzip eine exakte Dosierung der Farbmenge und ein konstantes Druckbild erreicht. Die Temperaturregelung wird an der zentralen Maschinensteuerung Prinect CP2000 Center übernommen. Sie regelt die Temperatur des gesamten Kreislaufs der Farbauftragwalzen und separat jede einzelne Rasterwalze. Im Vergleich zu wasserlosen Anilox-Farbwerken, die in der Regel nur innerhalb eines eng begrenzten Temperaturspektrums arbeiten, erlaubt Anicolor eine breite Spanne von 20 bis 45 Grad Arbeits­temperatur – wodurch einerseits eine wesentlich feinere Abstimmung der Farbmenge möglich ist, andererseits Rasterwalzen weniger oft getauscht werden müssen.

Kombination mit konventionellem Filmfeuchtwerk

Das Farbwerk Anicolor verfügt über einen grundsätzlich anderen Aufbau als ein konventionelles Walzenfarbwerk. Den Kern der Innovation bildet das weltweit erstmals erfolgreich in einer Produktionsmaschine im Bogenoffsetdruck angewandte Prinzip, ein Anilox-Farbwerk in Kombination mit einem Filmfeuchtwerk auszuführen. Somit ist es möglich, die Vorteile des herkömmlichen Offsetdrucks als stabiles und bekanntes Verfahren mit den Vorteilen der Einfärbung durch ein Anilox-Kurzfarbwerk zu verbinden.

Zukunftsperspektiven

Wie die Anwenderreportage über den Einsatz eines Fünffarben-Anicolor-Systems bei Fotorotar auf den folgenden Seiten zeigt, kann sich die neue Offsettechnologie neben dem Digitaldruck sehr gut behaupten. In der Regel gehen bei Fotorotar Auflagen von über 200 Exemplaren vom Digitaldruck weg auf die Anicolor-Speedmaster. Auch die von Heidelberg genannte Produktivitätssteigerung von 30% wurde in der Praxis eher übertroffen.

Mit der Implementierung in die kleinformatige Speedmaster SM 52 steht die Anicolor-Technologie wohl erst am Anfang. Heidelberg gibt an, derzeit den Einsatz der Technologie in grösseren Maschinen zu prüfen, und stellt vielsagend fest, dass «der Trend zu kleineren Auflagen prinzipiell nicht auf das Kleinformat beschränkt ist». Man darf also auf die Drupa im nächs­ten Jahr gespannt sein ...

 

 

Heidelberg SM 52 Anicolor

Seit Anfang dieses Jahres ist die Heidelberg Speedmaster SM 52 mit Anicolor-Farbwerk als Vierfarbenmodell erhältlich. Die etwas höheren Anschaffungskosten sind dank der um 30% gesteigerten Produktivität rasch amortisiert, umso mehr, als konventionelle Farben und Platten verwendet werden können.